Jovanotti – La Mia Moto

Urlaub? Italien. Und das schon seit ich denken kann. Tauern-Autobahn, Villach, Udine, und dann auf dem schnellsten Weg zur Adria. Klar geht‘s da in erster Linie um Strand und Meer. Aber ein magischer Ort fand sich nach der Dämmerung auch auf der Einkaufsmeile des Ferienortes. Zwischen Eisdielen und Schuhläden versteckt: ein kleines aber feines HiFi-Fachgeschäft, das von der Knopfbatterie übern Walkman bis hin zum amtlichen Ghettoblaster die wichtigsten Utensilien zeitgenössischer Unterhaltungselektronik im Angebot hatte. Dazu gab es einen Haufen Merchandising-Kram. Band-T-Shirts, Schweißbänder, Fahnen und Poster mit irgendeinem Blödsinn drauf – wie ein Riesenadler vor dem amerikanischen Sternenbanner oder Trucks im Sonnenuntergang. Dinge, die Jungs der Achtziger halt beeindruckten. Und nicht zu vergessen: Tonträger.

Rap auf Italienisch? Wie cool

Irgendwo hatte man schon mal einen Namen aufgeschnappt, der offenbar wichtig war: Jovanotti. Der Typ rappte tatsächlich auf Italienisch. Und das war schon an sich exotisch und cool. Sprechgesang gab’s ja eigentlich nur in Englisch. Und der einzige, der seinerzeit auf Deutsch reimte, war Falco. Aber das war was anderes. Jovanotti, der seine Karriere als Radio-DJ startete, war also bereits eine richtig große Nummer und ein amtlicher Chart-Stürmer in Bella Italia, als ich auf der Suche nach einem netten Mitbringsel in besagtem Laden auf seine Longplayer stieß. Klar, dass wir zuschlugen und uns für ein paar Tausend Lire aus der Urlaubskasse die vorrätigen Scheiben sicherten. Meine Wahl fiel auf „La Mia Moto“, mein Bruder schnappte sich den 1988er-Vorgänger „Jovanotti for President“.

Street Credibility? Hoch!

Tja, da hatte man mal echt was, was andere nicht haben. Gianna Nannini? Pfft, die kannte jeder, aber Jovanotti? Mamma mia! Ganz heißer Scheiß. Und schon war der erste inoffizielle Jovanotti-Fanclub nördlich der Alpen geboren. Street Credibility? Hoch! Mit dem selbst importierten Vinyl fühlte man sich quasi als Insider der italienischen Hip-Hop-Szene. Zumindest so lange, bis sich Jovanotti auch bei uns dank MTV-Heavy-Rotation seiner Hits „Penso positivo“ und „Serenata Rap“ aus dem Album „Lorenzo 1994“ einen Namen machte. Leider verstehe ich ja auch als Stammurlauber zugegebenermaßen noch immer kein Italienisch, aber laut Wikipedia schwanken Jovanottis Texte inhaltlich „zwischen politischen und sozialen Statements, positivem Denken und easy living“. Von daher passt ja alles.

Der Jovanotti-Jahrgang 1994 – ein guter: Poppiger, smoother, charmanter und augenzwinkernder Rap. Groovy, funky, ein bisschen jazzy. Bene! Blöd nur, dass von derartigen Attributen auf seinem Frühwerk „La Mia Moto“ leider noch nicht so viel zu hören war. Zwar rappt Lorenzo Cherubini (so heißt der Mann mit bürgerlichem Namen) wie aus der Pistole geschossen, feuert seine Wortsalven (vermutlich rund ums easy living und so weiter) selbstbewusst über ungeschliffene Beats ab, gibt die Rampensau und macht à la Beastie Boys oder Run DMC nicht selten einen auf Rock-Crossover. Beispiel: „Il Capo Della Banda“ mit AC/DC-Sample („Back in Black“).

1989 kann man das bringen, kein Thema. Lässt man aber alle Nostalgie beiseite, scheppert da einfach zu viel und funkt zu wenig. „Fight for Your Right to Party“ und „Walk this Way“ sind jedenfalls wesentlich besser gealtert. Deshalb entpuppte sich die einst so bejubelte Vinyl-Beute aus Italien rein objektiv gesehen  schon sehr bald eher als Liebhaberstück und Urlaubserinnerung denn als musikalischer Meilenstein oder gar – siehe die läppische Discogs-Bewertung unten – nachhaltige Geldanlage.

Mit Cowboyhut und Motorrad

Egal, darum geht’s ja nun wirklich nicht beim Diggen. Und auch meine Beziehung zu Jovanotti hat nie unter seiner soundtechnischen Findungsphase gelitten. Immerhin war er seinerzeit quasi auf Pionierpfaden unterwegs. Und sowieso bietet „La Mia Moto“ neben der noch etwas pubertierenden Musik ja ein imposantes Klappcover – und das ist eine Augenweide: DJ- und Rapper-Ikone Jovanotti im eleganten Rodeo-Look mit Cowboy-Hut und – ja ja, la mia moto! – seinem Motorrad samt Nahaufnahme des Nummernschildes: MI 75 32 13. MI für Milano, klar. Brauchbares Wissen für die Heimfahrt auf der Autobahn beim Kennzeichenraten. Yo, Jovanotti for President!

  • Faktencheck:
    Titel:
    „La Mia Moto“
    Interpret: Jovanotti
    Label: Yo Productions
    Pressung:
    1989
    Bezugsquelle:
    italienisches Fachgeschäft für Musik und Unterhaltungselektronik
    Genre:
    Italo Hip-Hop
    Platz im Plattenregal:
    zwischen „Serenata Rap“ und einer italienischen Hip-Hop-Compilation
    Nerd-Faktor:
    hoch
    Angeber-Faktor:
    Mamma mia!
    Musikalischer Anspruch: 
    nur zehn von 100 auf der PS-Skala
    Anspieltipp:
    „Il Capo Della Banda“
    Wert laut discogs.com:
    Im Schnitt werden 4,37 Euro aufgerufen.
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